Meine Geschichte als Angehöriger, habe Angst um ihr Leben

#1
Meine Situation, Gedanken und Erfahrungen zur Bulimie meiner Ex-Freundin

Hallo,
ich bin neu hier im Forum und möchte mich zuerst kurz vorstellen und anschließend in einen Erfahrungsbericht übergehen, der meine derzeitige Situation verdeutlichen soll, denn mittlerweile habe ich das Gefühl, dass ich Hilfe benötige, um mit meinen Sorgen und Gefühlen umgehen zu können, die ich habe, wenn es um meine Ex-Freundin geht, die seit nunmehr ca. 14-15 Jahren an Bulimie leidet.

Ich bin 34 Jahre alt und seit ca. 6 Monaten von meiner Freundin getrennt, die sehr schwer an Bulimie erkrankt war und immer noch ist.
Im Laufe der vergangenen 6 Monate hat sich sozusagen ein Kreis geschlossen und mittlerweile fühle ich mich ein wenig in die Lage versetzt, sozusagen über den Tellerrand hinauszuschauen, zu reflektieren, mir bewusst zu werden, was in den 8 Jahren unserer Beziehung bezüglich der Bulimie gelaufen ist und was das alles für Auswirkungen hatte bzw. hat, auch auf meine und ihre jetzige Situation.
Aber ich möchte erstmal allgemein den Beginn und Verlauf von allem beschreiben, versuche mich kurz zu halten und trotzdem die wichtigsten Stationen und Situationen aufzuführen.
Alles begann vor ca. 8 Jahren, die Zeit, zu der wir zusammenkamen und sie bereits seit ca. 7 Jahren diese Krankheit oder Sucht hatte.
Eigentlich bemerkte ich sehr früh, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Nachdem ich eines abends etwas nachgebohrt hatte, wir waren gerade ein paar Wochen zusammen, berichtete sie mir von ihrer Sucht und vielem, was damit zusammenhing.
Wir sprachen eine Menge darüber an diesem Abend und sowieso in den folgenden Jahren und eigentlich immer..
Ich muß gestehen, auch eine Erkenntnis, die sich in mir aufgrund dessen manifestiert hat, dass ich sowohl damals als auch bis vor ein paar Jahren sehr naiv war, was diese Thematik angeht.
Naiv in dem Sinne, dass ich stets glaubte, dass ‚nur’ genügend Liebe, Vertrauen, mentale und emotionale Unterstützung, Treue, Hoffnung und Zuversicht in eine bessere und suchtfreie Zukunft, ausreichten, um dieser Erkrankung den Nährboden zu nehmen, sie zu besiegen.
Lange Zeit hatte ich diese Krankheit als Feind betrachtet, der zwischen uns stand, den es lediglich zu besiegen galt, und dessen fühlte ich mich wohl gerüstet, ich vertraute auf meine mentale Stärke, Durchhaltevermögen und Ausdauer und selbstverständlich auf meine Liebe zu ihr, die zu Beginn außerordentlich stark war, wie es auch bei ihr war.
Wer oder was sollte dem entgegenstehen können? (ungefähr meine damaligen Empfindungen)
Dies ist natürlich ein selbstherrlicher Trugschluss, wie ich in den letzten Jahren erkennen musste. Aber erst weiter im Verlauf.
Die ersten 1-2 Jahre waren sehr schön, wir liebten und vertrauten uns. Sie war damals derart motiviert durch unsere neue Situation, dass sie freiwillig eine, in diesem Bereich erfahrene und in unserer Region recht bekannte, Psychologin aufsuchte, um sich mit dem Problem auseinander zusetzen und es anzugehen. Ich war auch 3 mal dabei, innerhalb einer Partnersitzung, und empfand es als sehr aufschluß- und hilfreich bei der Beurteilung ihrer Situation, der Entwicklungsgeschichte ihrer Bulimie usw.. Es entwickelte sich alles immer weiter zum Guten, ihre Geschwister und Eltern(!) erfuhren von ihrer Erkrankung, natürlich durch sie, nicht hintenrum, was mich fast umhaute, solch eine beachtliche Leistung, ein super schwerer Schritt, die Bulimie vor anderen einzugestehen, vor denen sie immer tunlichst versteckt worden war. Einfach Wahnsinn.
Die Gespräche der Therapie ergaben die Dreh- und Angelpunkte der Ursache ihrer Bulimie: Eltern bzw. Erziehung und Arbeit.
Ihre Eltern sind der Typus Mensch, der auf die Oberfläche achtet, innere Belange und Gefühle sowie Zweifel an der Realität nicht beachtet. Alles wird oberflächlich mit Liebe, Fürsorge, materielle Dinge und Engagement für das Wohlergehen der Kinder überdeckt, totgemacht, alles, was ein harmonisches Familienbild stören könnte. Ich-bezogen wird nur das eigene Engagement für das materielle Wohlergehen der Kinder in den Vordergrund gestellt, um das eigene Ego herauszustellen und hervorzuheben.
Und materiell geht es sehr gut.
Auch meine (Ex-)Freundin hat einen absolut Top-bezahlten Job, alles paletti. Aber den benötigt sie auch, um die Fressattacken zu finanzieren.
Unsere Beziehung sollte der Faktor für die damalige Besserung sein, was sie ja auch sehr wahrscheinlich war, schließlich fraß und kotzte sie damals wochenlang, wenn nicht monatelang, kein einziges Mal. Was sich aber im nachhinein als einzelner Glücksfall herausstellen sollte.
Wir führten all die Jahre hindurch eine quasi-Wochenend-Beziehung, da ich 60 Kilometer entfernt ein Biologie-Studium aufnahm. Mein ursprünglicher Wohnsitz lag 160 Kilometer entfernt. Ich hätte das Studium auch hier, 160 Kilometer entfernt, wo ich mittlerweile wieder lebe, machen können, entschloß mich aber umzuziehen, um halt diese 100 Kilometer näher bei ihr zu sein, um am W-Ende kürzere Wege zu haben, und irgendwo in diesem Sinne auch für uns, dachte ich doch, dass wir eines Tages zusammenziehen und bleiben wollen.

Meine Situation war nicht einfach, ich hatte über den 2. Bildungsweg mein Abitur nachgeholt, immer wenig Geld, gegen Ende dessen wir uns kennen lernten und zusammenkamen. Dann das Studium, aufgenommen erst mit 26, Bafög, viel lernen, jobben. Am W-Ende war ich immer bei ihr, in ihrer Wohnung.

Mein Studium entwickelte sich zäh, eine alte Schwäche holte mich heim, ich bin einfach allzu leicht ablenkbar, flachste mit Kommilitonen herum, anstatt ein Praktikum nach dem anderen abzuschließen, usw.. Nun ja, das Vordiplom erreichte ich 2 Semester später als es sein sollte, aber es ging, nicht das Lernen war das Problem, sondern meine fehlenden Ziele. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich am Rande erwähnen wollte, denn im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass auch die Bulimie meiner Freundin, die es ja immer noch gab, hierbei eine Rolle gespielt haben könnte. Eigentlich bin ich davon überzeugt, obwohl es natürlich prinzipiell einzig und allein mir allein zuzuschreiben ist, dass ich nicht eher aktiver wurde und irgendwas unternahm. Vielleicht komme ich später darauf zurück.

Irgendwann schlich sich in unsere Beziehung mehr und mehr der Alltag ein, was ja irgendwann so kommen musste. Sie begann wieder häufiger zu fressen und kotzen, vor allem abends. Alle Erfolge bezüglich der Bulimie wurden nichtig, Schritt für Schritt, erst langsam, dann sehr schnell.
Da ich ja meistens nur am Wochenende da war, machte sie es gerade dann nicht, aß aber das ganze W-Ende über fast gar nichts.
Jegliche Gesprächs- und Annäherungsversuche meinerseits schlugen fehl und wurden meist abgetan. Sprüche wie: Ich oder unsere Beziehung seien schuld daran, dass sie wieder frisst, weil es halt nicht mehr so harmonisch ist und wir uns immer streiten würden. Nein, ‚ich’ würde immer streiten mit ihr. Außerdem sei die Arbeit und deren Eintönigkeit auch schuld.
Dabei hatten wir uns eigentlich nur gestritten, wenn es um die Bulimie ging.

Die Dinge nahmen ihren Lauf, sie folgte ihrem Trott, abends zu essen und zu erbrechen, ich ging meinem Studium nach, mit abnehmender Motivation, gesehen haben wir uns nur am Wochenende, wenn nicht gerade Geburtstag, Weihnachten oder Feier- sowie andere Tage kamen, die frei waren.
Dann sind da natürlich auch all die Dinge, die wahrscheinlich die meisten von euch kennen, Telefonanrufe werden nicht angenommen, weil sie gerade frisst abends, einfach so hinfahren war gar nicht möglich, nur mit vorheriger Ankündigung, weil sie gerade frisst, usw. usf..
Beleidigungen und Schuldzuweisungen musste ich ertragen ohne Ende. Selbstverständliche Dinge wie Essen gehen, oder in den Urlaub fahren, sind schon einmal Prinzip-bedingt auszuschließen, was ich auch akzeptierte und eigentlich nicht sonderlich vermisste, gehörte es doch zu den Symptomen ihrer Sucht.

Dabei ging es mir nur um uns und sie, für mich, der alles sehr naiv sah, war alles irgendwann sehr einfach geworden, quasi als blanke Reaktion darauf, dass jahrelang nichts geschah, oder wurde zu einer einfachen Beschwörungsformel, die uns retten sollte: Die Krankheit muß besiegt werden.

Aber bereits zu diesem Zeitpunkt waren meine bescheidenen Mittel, die ich als Nicht-Experte besitze, erschöpft, wie ich heute feststellen muß.
Wie sollte ich ihr weiter helfen können, wenn ich eh in der Woche an der Uni 60 Kilometer entfernt war? Wenn sie es nicht irgendwie auch selbst durchzog und wollte?

Aber es wurde deutlich: Es ging ihr zu Beginn nur besser, weil sie es für mich oder uns wollte, nicht weil sie es für sich(!) wollte (und bis heute nicht will), was der richtige Weg und die richtige Einstellung gewesen wäre.

Die Jahre vergingen.

Letztes Jahr brach ich mein Studium ab, welches sich immer mehr im Hauptstudium hinzog, ich nicht mehr vorankam, keine Motivation mehr hatte, hatte ich doch alles zu sehr mit uns und unserer Zukunft verbunden, innerlich, Erfolg und eine gesunde, rosige Zukunft.
Also beschloß ich letzte Jahr umzusatteln, um schnellstmöglich noch einen Beruf zu erlangen, mit dem ich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben sollte, wenn denn schon das Studium gescheitert war, wie ich es empfand.
Eine Weiterbildung über 10 Monate im IT-Bereich, mein zweites Standbein, wurde mir vom Arbeitsamt nahegelegt, die ich in diesen Tagen erfolgreich abschließen werde.
Wir zogen zusammen, ich zu ihr, denn ich war mittlerweile absolut mittellos, wollte nur noch diese Weiterbildung schaffen, um noch irgendeine Karriere hinzubekommen.
Aber unsere Beziehung war gefühlsmäßig zuende, erdrückt durch Alltag und der Resignation, die sich gegenüber ihrer Bulimie, die eigentlich schon seit Jahren nicht mehr nur ihre Bulimie war, denn das Problem beeinflusste alles, was man sich vorstellen kann, breit machte.
Im November letzten Jahres zogen wir zusammen und die Ereignisse überschlugen sich. Wir lebten wie Bruder und Schwester zusammen, Sex ging ja schon seit Jahren nicht, weil sie sich nicht attraktiv fühlte, weil zu dünn und unansehnlich, wogegen auch meine gegenteiligen Beteuerungen nichts halfen. Sicher war sie dünn, mittlerweile sehr dünn, aber ich liebte sie, so dachte ich zumindest.
Sie ist mittlerweile nach 14-15 Jahren Bulimie körperlich äußerst angeschlagen, in ständiger Behandlung bei ihrer derzeitigen Hausärztin, bei der sie nebenher auch derzeit in psychotherapeutischer Behandlung ist, wegen der Bulimie. Aber die Bulimie ist geblieben bis heute.
Die Zeit ab November letzten Jahres, seit ich bei ihr in ihrer Wohnung lebte, war die absolute Hölle. Sie fraß abends, vor dem Fernseher, da sie ja im Laufe der letzten Jahre wieder wie gewohnt in ihren Rhythmus zurückgefallen war.
Das allein empfand ich nicht als Hölle, wie ich es eben beschrieb, eher diese hilflose Situation, in der ich oder wir uns befanden.
Anfangs erschrak ich, wegen dieser suspekten und surrealen Situation, als ich neben ihr im Wohnzimmer saß und mit verfolgen musste, wie sie tagein tagaus ihrer Sucht nachgab und fraß und erbrach, und fraß und erbrach. Fühlte mich so hilflos.
Jedes Mal, wenn ich das Thema ansprach, bekam ich Schuldzuweisungen, indem sie es mit unserer Beziehung verband, oder ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ich immer Streit anzettelte. Und ich? Ich tat letztlich nichts, außer immer wieder zu versuchen, ein Gespräch darüber zu beginnen, was leider stets zum Scheitern verurteilt war, wie oben beschrieben.
Ich hätte aufstehen können, sagen können: Du, ich mach das nicht mehr mit, entweder es geschieht etwas oder ich bin weg. Nein, ich tat nichts, war gelähmt. Andererseits wäre mir eine solche ‚Flucht’, wie ich es sah, nicht die angemessene Reaktion gewesen. Hatte es als Flucht, und sonst nichts, gesehen. Und ich bin kein Mensch, der vor Problemen flüchtet, also blieb ich.
Dann noch meine berufliche und finanzielle Situation, Abhängigkeit.
Es war schlimm, war handlungsunfähig, wollte nur noch diese Weiterbildung schaffen, sonst nichts.
Sie saß abends vor der Glotze und fraß und erbrach. Ich saß im Schlafzimmer vor dem Computer und lernte. Wohl mehr als Ablenkung und Betäubung oder Zuflucht. Eine absurde Situation.
Die Weiterbildung verlief sehr erfolgreich für mich, kam sehr gut zurecht. Die Frage kam auf, was nach der Schulung mit uns geschieht, denn ich müsste eine Anstellung irgendwo finden und in der Kleinstadt in der wir lebten, herrschte bittere Arbeitslosigkeit.
Ich hatte vor, um jeden Preis einen Job zu bekommen, mein letzter Strohhalm, um beruflich noch was zu erreichen. Ich sagte ihr, dass ich um jeden Preis versuchen werde, einen Job zu finden, egal wo erst einmal, später müsse man weitersehen.
Im Frühjahr dieses Jahres eskalierte dann alles. Sie verliebte sich in ihren Vorgesetzen, meinte, ich würde sie gar nicht mehr lieben, sonst hätte ich nicht in Erwägung gezogen, sie für einen Job ‚zu verlassen’. Das ist für mich heute nur ein Witz. Für sie selbst war die Arbeit immer Dreh-und Angelpunkt ihrer Gemütszustände, täglich, was sich natürlich wieder auf ihre Bulimie auswirkte: Lief es bei der Arbeit schlecht, lief es auch mit der Bulimie schlecht, oder gut, ganz, wie man es auslegen möchte.
Mir darf die Arbeit nicht so wichtig sein, wie ihr, wenn ich sage, ich möchte um jeden Preis erstmal einen Job haben? Ist doch ein Witz und gleichzeitig der Preis und die Sprache ihrer Krankheit. Sie zieht es vor, sich von mir zu trennen, um wieder in ihre Krankheit zurückzufallen, was derzeit wieder der Fall ist.
Ich verliebte mich in eine Mitschülerin, die an der Weiterbildung teilnahm, ein Zeichen für mich, dass unsere Beziehung auch gefühlsmäßig zuende war, ansonsten war ich naiv genug, all die Jahre auszuhalten, in der Hoffnung alles würde sich ändern. Wie naiv und dumm ich war.
Ich zog aus, musste einen Ausweg finden, und lebe zur Zeit wieder bei meiner Mutter, was mir mit 34 äußerst unangenehm ist.
Aber ich fühle mich nun immer besser, hatte Zeit, mir über alles Gedanken zu machen, wie sehr ich verwickelt war, in diese ganze Geschichte, erkenne, was ich falsch gemacht hatte.
Ich habe mich lähmen lassen durch Resignation, die sich all die Jahre breitgemacht hatte, als ich studiert hatte. Ich hätte sehr viel eher einen Schlussstrich ziehen müssen, war allzu naiv, dachte, ich schaff das allein in einer gewissen Zeit. Ich hätte mehr Druck machen müssen, usw.. Alles Selbstvorwürfe, die unnötig sind eigentlich.
Dabei muß ich es gar nicht schaffen, nur sie selbst!
Ich bin einerseits so froh, dass ich ausgezogen bin, die ganze Last der gedachten Verantwortung ist mir genommen worden. Ich bin nicht mehr für sie verantwortlich. Oder doch irgendwo? Nein? Ja?

Anfangs, als sie schon mit ihrem Arbeitskollegen zusammen war, wir uns schon getrennt hatten, ich aber noch ein paar Wochen bei ihr lebte, geht halt alles nicht so schnell, umziehen, Planung, Weiterbildung muß weitergehen usw., meinte sie, es ginge ihr schon sehr viel besser, weil sie jetzt das Gefühl habe, dass sie jetzt lebt, seitdem sie ihren neuen Freund hat. Das war sehr schmerzhaft und ein regelrechter Dolchstoß, Demütigung trotz all der Jahre der mentalen und auch aktiven Unterstützung, die Krankheit anzugehen.
Sie hatte wohl eine gewisse Zeit wieder nicht mehr gekotzt.
Ich war gerade vor kurzem, nach 3 Monaten, wieder bei ihr, und sie sah sehr schlecht aus, ist wieder voll dabei mit der Bulimie, ist krankgeschrieben bis Ende des Jahres. Sie tut mir so leid und ich denke oft, ob ich nicht noch irgendwie helfen könne.
Ich habe Angst, dass sie sterben wird, denn sie ist körperlich äußerst angeschlagen, wie beschrieben. Kann ich noch was tun? Sollte ich noch was tun?
Ich denke nicht, meine Kraft ist erschöpft, muß nur noch an meine eigenen, neuen Ziele denken.
Aber dennoch bleibt bei mir ein Gefühl zurück. Ein Gefühl, dass ich ihr nicht helfen konnte, und dass ich einiges hätte besser und eher machen müssen, wie z.B. mich selbst wie hier jetzt informieren und engagieren.
Andererseits ist mir schon klar, dass jeder letztlich nur für sich selbst verantwortlich ist und selbst bestimmen muß, was geschieht.
Aber ich befürchte wirklich, dass sie irgendwann, und ich spüre, dass der Tag bald kommen wird, zusammenbrechen oder schlimmstenfalls wirklich sterben wird, es ist wirklich so schlimm.
Und ich hatte resigniert, nur gelähmt dagesessen. Nie wieder. Nie wieder.

Also, mein abschließendes Statement sollte sein:
‚Nur’ Liebe, Vertrauen, Zuversicht, Kraft und Hoffnung helfen nicht!
Es müssen Taten folgen auch oder gerade von Angehörigen.

Ich hoffe, meine Geschichte kann vielen helfen, die auch betroffen oder Angehörige sind.

Würde mich interessieren, wie ihr darüber denkt, und vor allem, was ihr mir empfehlen könnt, bzw. was meint ihr dazu?

gruß

Andreas

p.s. Ist ein kleiner Roman geworden, aber hatte unheimlich viel zu erzählen ;)

#2
Herzlichen Dank für Dein Feedback MiniMe,
ja, unsere Beziehung ist ja beendet, seit ca. 6 Monaten.
Es ist auch nicht so, dass ich sie noch in diesem Sinne liebe,
oder diese lang vergangene Liebe wieder aufbauen möchte,
das eher garnicht, denn das ist vorbei und bin ja eigentlich froh,
dass es so ist, denn all das hat auch seine Spuren bei mir hinterlassen
und es ist wohl noch gerade rechtzeitig geschehen.
Ich liebe sie allerdings natürlich auf der menschlichen Ebene,
und so meinte ich, was ich noch tun könnte.
Mir macht halt ihr desolater Zustand Sorgen, der es wirklich
so aussehen läßt, als ob das nicht mehr lange gut geht,
es geht ja schon sehr lange.
Ich habe sie ja durch all die Jahre erlebt und es ist eigentlich
so schlimm noch nie gewesen.
Auf diese menschliche Weise tut sie mir so leid und es ist so schwer,
sie nach all dem so sterben zu sehen, denn ist ist wirklich schlimm.
Eigentlich denke ich nicht, dass ich noch etwas tun kann und will es wahrscheinlich auch nicht mehr, nach all der Kraft, die es mich schon gekostet hat.
Aber diese Hilflosigkeit, gerade weil ich sie wieder vor kurzem gesehen habe, nach einer gewissen Zeit, um noch Dinge aus der Wohnung zu holen, die zurückgebleiben waren, diese Hilflosigkeit,
das Zusehen, dass nichts geschieht, es immer schlimmer wird,
ist schlimm. Dabei geht es ihr ja noch viel schlechter als uns anderen, und es ist eigentlich Mist, sowas zu schreiben, dass es schlimm ist, wenn man das bedenkt.
Aber trotzdem, es ist so traurig alles.

Nochmal herzlichen Dank auch für Deinen langen Beitrag, den ich gleich nochmal lesen werde, sind ne Menge Informationen drin, die ich auch kenne und die ich benötige, um ihre Situation noch besser zu verstehen.

Irgendwann sehe ich sie ja wieder und möchte es auch,
denn wir waren ja lange Zeit zusammen und heute verstehen wir uns auch ganz gut, menschlich jetzt.

Ach...es ist hart, dem tatenlos gegenüber zu stehen...

#3
hallo MiniMe,
ja ja, wie gesagt.
Aber als Mensch liegt mir noch viel an ihr und
so mache ich mir noch so meine Gedanken.


Andreas

#4
hallo andreas, hallo minime !

danke gleich am anfang für euer engagement, denn durch das schreibe auch ich zum ersten mal in ein derartiges forum. bin nämlich seit kurzem auf der suche nach möglichkeiten mich mit ebenfalls betroffenen angehörigen auszutauschen.

kurz zu meinem fall: meine freundin leidet seit ca. 5 jahren an bulimie, früher wahrscheinlich eher anorexie. ich bin seit 2,5 jahren mit ihr beisammen und seit anfang an involviert, da ich auch schon früher eine freundinn hatte die darunter litt und doch schon eine menge davon gelesen, gehört, gesprochen bzw. auch mitgemacht habe.

momentan und auch aufgrund deines berichtes andreas, denke ich, ich bzw. man kann gar nichts dazu bzw. dagegen unternehmen. und wenn ich lese dass deine beziehung (unter anderem !?) daran zugrunde gegangen ist, denke ich mir, es wird mir ähnlich ergehen, weil man auf dauer einen menschen nicht lieben kann, der sich selbst nicht liebt.

dann wieder glaube ich daran, dass man, natürlich mit therapie (meine freundin ist in solcher seit 3 jahren) die ursachen für die erkrankung erkennen und sie aufarbeiten kann. und letztendlich sollte es nur mehr der wille, mit der gewohnheit zu brechen sein, der das brechen seltener und seltener zulässt.

ich bin verwundert dass ich so lange gebraucht habe um in einem internet forum zu schreiben, obwohl ich mich von anfang an mit dem thema befasst habe, aber wahrscheinlich liegt es daran, dass man als partner ja nie alles genau sieht, da die krankheit ja ein perfektes verstecken mit sich bringt. ich habe mir schon oft gedacht, jetzt hat sie es geschafft um im nächsten rückfall darauf zu kommen, dass es noch ein weiter weg ist.

im gegensatz zu dir hat meine freundin ihre fressattacken nie neben mir ausgelebt. obwohl ich bis dato der meinung war, wenn sich betroffene offen dazu bekennen sollte es leichter fallen, weil sie sich eben nicht mehr verstecken müssen.

ich denke so wie bulimiker gründe für ihre krankheit haben, haben wir welche um mit bulimiker beziehungen zu führen. und ich denke man kann unterstützen, mehr nicht. ich glaube auch dass man so gut wie es halt geht versuchen soll sein leben weiterzuleben und eben nicht alles auf die person und ihre krankheitsbedingten bedürfnisse abzustimmen. sonst gibt es keinen grund für den betroffenen etwas zu ändern.

ich denke diese krankheit zerstört, aufgrund der tatsache, dass man reingezogen wird aber letztendlich nichts machen kann, beziehungen. und ich hoffe, dass es in meinem fall dennoch nicht so ist.

deinem abschliessenden statement möchte ich beipflichten. auch angehörige müssen sich engagieren, ändern können sie freilich nichts, denn jeder ist nunmal für sich selbst verantwortlich.

es sei dir versichert, dass du mir schon geholfen hast, ich hoffe dir geht es ähnlich.

liebe grüsse
jens

ps: ein grosses dankeschön an alle die sich beruflich mit diesen thema befassen und zb. dieses forum ermöglich.

#5
Hallo Jens,
leider habe ich Deinen Beitrag erst jetzt gelesen, hatte mich auf den E-Mail-Dienst verlassen, dass man eine Mail bekommt, wenn ein neuer Beitrag gepostet wurde, was aber nicht klappte. Wahrscheinlich hatte ich in einer der nachfolgenden Posts das nicht neu aktiviert. Egal, ich hoffe, Du liest meine Antwort noch, denn sonst wäre sie umsonst.
Ich weiß natürlich nicht, wie die Zusammenhänge bei Deiner Freundin ausschauen, ein Faktor, der gewaltig ist, aber letztlich nicht alles bestimmend.
Wie Du geschrieben hast, liegt es nicht in den Händen der Angehörigen, eine Besserung herbeizuführen, das können nur die Betroffenen selbst. Aber das ist genau das Problem, denn als Angehöriger oder Partner verspürt man den Drang, etwas dazu beitragen zu müssen, so war es jedenfalls bei mir. Und ich finde es auch heute noch als verdammte Pflicht, Menschen, die man liebt, jedmögliche Hilfe zukommen zu lassen, was ja auch absolut normal ist.
Die Frage ist, welche Hilfe man zusteuern kann? Wie ich beschrieben hatte, war meine Hilfe vergebens.
Es geht (schon gar) nicht über die Vernunft.
Es geht nicht über die Liebe und den Beistand (was ich immer etwas seltsam fand). Letzteres kann zu einem Werkzeug umfunktioniert werden.

Ehrlich gesagt, weiß ich absolut nicht, was ich Dir empfehlen könnte.
Achte auf Dich, nimm Dich zurück, auch wenn die Liebe noch so groß ist, laß Dich nicht allzu sehr einspannen, wie es bei mir der Fall war.
Auch die besten Informationen helfen letztlich nichts, wenn der/die Betroffene nicht selbst den Willen hat, etwas zu ändern, und das langfristig!
Setzt euch klar definierte Ziele, vorallem zeitlich!!
Ansonsten besteht die Gefahr, dass alles im Alltag verkommt.

mh...es gibt halt kein Erfolgs-Rezept.
Diese Erkrankung hat nichts mit Logik zu tun, man kann ihr nicht mit intellektuellem Gesäusel kommen, die Wurzeln liegen viel viel tiefer!


gruß

Andreas

p.s. falls du diese antwort noch liest, bitte melde dich hier, weiß nicht, ob du es überhaupt noch liest.
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